Das Lager
Weitab der Ziele alliierter Bomber ließ das Leipziger Rüstungsunternehmen Hugo-Schneider-AG (HASAG) ab Ende November 1944 in der Nähe des sächsischen Dorfes Flößberg ein umzäuntes Barackenlager errichten. Umgeben war das aus mehreren Holzbaracken bestehende Lager von einem Wald, Wiesen und Ackerflächen. Dennoch lag es verkehrsgünstig. Die Bahnstrecke zwischen Borna und Bad Lausick grenzte an das Lager; die Straße zwischen Flößberg und Beucha führte direkt am Lagerzaun entlang. Die geplanten Produktionsstandorte befanden sich im unmittelbar an das Lager angrenzenden Wald. Berichten zufolge waren die auf sumpfigen Untergrund errichteten Baracken nur notdürftig ausgestattet. Vor allem mangelte es an sanitären Anlagen und Waschgelegenheiten. Von außen ließ sich das Lager sehr gut einsehen. Das entstehende HASAG-Werk und das Häftlingslager wurden schnell zum „Ausflugsziel der Flößberger“, so der örtliche Pfarrer Anfang Februar 1945 in seinem Tagebuch.

Bewachung
Der ehemalige Buchenwalder Schutzhaftlagerführer Wolfgang Plaul (1909-1945) hatte als Kommandoführer des größten HASAG-Außenlagers in Leipzig-Schönefeld gleichzeitig die Aufsicht über alle weiteren Außenlager der HASAG, so auch über Flößberg. Vor Ort fungierte zunächst SS-Obersturmführer Gustav Strese (1893-1979) als Kommandoführer, der davor u.a. im Außenlager Wewelsburg und im KZ Bergen-Belsen Dienst getan hatte. Im Februar 1945 löste ihn SS-Oberscharführer Heinrich Lütscher (1903-1980) ab. Zuvor war er im KZ Mauthausen und im Außenlager Schlieben tätig gewesen. Die Wachmannschaft vor Ort bestand Mitte März 1945 aus 95 SS-Männern – ein großer Teil von ihnen sogenannte volksdeutsche SS-Freiwillige sowie an die SS überstellte Wehrmachtsoldaten.
Ein US-Militärgericht verurteilte Heinrich Lütscher wegen Verbrechen im KZ Mauthausen und seiner Beteiligung am Räumungstransport aus Flößberg 1947 zu drei Jahren Zuchthaus. Ein Wiener Volksgericht verhängte 1947 über den ehemaligen Funktionshäftling Anton Krailer wegen Verbrechen in Flößberg eine Freiheitsstrafe von 16 Monaten. Bereits 1945 verhafteten Sowjetische Behörden Wolfgang Plaul. Ein sowjetisches Militärtribunal verurteilte ihn im selben Jahr zum Tode.
Räumung
Am 10. April 1945 befanden sich noch 1.144 Häftlinge in Flößberg. Am 12. oder 13. April erfolgte die Räumung des Lagers per Bahn. Die Fahrt in Güterwaggons verlief über Chemnitz, Annaberg und weiter über tschechisches Gebiet in Richtung des KZ Mauthausen. Die Fahrt scheint wiederholt unterbrochen worden zu sein. Erst am 28. April 1945 erreichte der Zug Gusen in Österreich. Die Überlebenden trieb die SS von dort in das nahegelegene KZ Mauthausen. Am 5. Mai wurden sie von amerikanischen Truppen befreit. Verpflegung gab es während der mehr als zweiwöchigen Fahrt nur selten. Viele der in die übervollen Waggons gepferchten Häftlinge verhungerten oder verdursteten. Die genaue Zahl der während der Fahrt Gestorbenen oder von der SS Erschossenen ist unbekannt. Überlebende berichteten später von Hunderten Toten, die während der Fahrt an verschiedenen Orten zurückgelassen wurden.
Spuren und Gedenken
Das Werksgelände und das Barackenlager wurden nach Kriegsende geplündert, der Bereich des ehemaligen Lagers später umgepflügt. Amerikanische Soldaten fanden im April 1945 die Massengräber unweit des Lagers. 98 Leichen ließen sie exhumieren und in Borna beisetzen. Für weitere 38 Tote, die im Sommer 1945 entdeckt worden waren, wurde vor Ort eine Grabanlage angelegt. 1952/53 errichtete die VVN einen Gedenkstein. Das Lagergelände geriet in Vergessenheit, die Grabanlage in Flössberg verwahrloste. Seit 2005 setzten sich zunächst die Bürgerinitiative „Flößberg gedenkt“ und später die „Geschichtswerkstatt Flößberg e. V.“ für eine würdige Gestaltung der Grabanlage ein. Diese konnte in neuer Form 2015 der Öffentlichkeit übergeben werden. Am ehemaligen Lagerstandort geben zwei Informationstafeln Auskunft über die Geschichte des Ortes. Die Neugestaltung des sogenannten Ehrenhains in Borna erfolgte bereits 2008.
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Link zum Standort des Ehrenhains Borna auf GoogleMaps
Kontakt:
Geschichtswerkstatt Flößberg e.V.




Literatur:
Moritz Grote u. Wolfgang Heidrich, Gefangen in Flößberg. Die Geschichte des Buchenwalder Außenlagers 1944 bis 1945, Springe 2024.