Osterhagen (SS-Baubrigade III)

5. Juli 1944 – 28. Oktober 1944

Das Lager

Im Mai 1944 verlegte die SS die in Köln-Deutz und Duisburg stationierte SS-Baubrigade III in den Südharz. Die Häftlinge mussten am Bau der Helmetalbahn arbeiten, einer neuen Eisenbahnlinie, die Nordhausen mit Osterhagen verbinden sollte. In der kleinen Ortschaft Wieda, heute ein Ortsteil von Walkenried in Niedersachsen, entstand der neue Hauptstandort der SS-Baubrigade III. Die SS gründete im Sommer 1944 entlang der Baustelle Nebenlager in Mackenrode, Nüxei und Osterhagen. In Osterhagen, heute Teil der Gemeinde Bad Lauterberg, befand sich das Lager im Südosten des Dorfes auf dem Gelände einer ehemaligen Ziegeleigrube. Es war mit Stacheldraht und Wachtürmen umgeben. Die Unterbringung erfolgte in einer großen Baracke mit einem Schlafsaal. Zum Lager gehörten zudem zwei kleinere Funktionsgebäude, in denen sich unter anderem ein Waschraum und eine Krankenstube befanden. Die SS-Wachmannschaft war in einer Baracke in unmittelbarer Nachbarschaft zum Lager untergebracht.

Die Häftlinge

Am 5. Juli 1944 trafen 300 Häftlinge aus dem Hauptlager der SS-Baubrigade III in Wieda in Osterhagen ein. Mehr als die Hälfte von ihnen waren erst im Mai 1944 aus Frankreich nach Buchenwald deportierte, politisch verfolgte Männer. Bei den übrigen Männern handelte sich mehrheitlich um sowjetische Häftlinge. Als Funktionshäftlinge setzte die SS vor allem deutsche Häftlinge ein, die als „Berufsverbrecher“ verfolgt wurden. Berichten zufolge verhielten sie sich sehr gewalttätig gegenüber ihren Mithäftlingen. In den Monaten danach gab es immer wieder Verlegungen von Häftlingen zwischen den Lagern der SS-Baubrigade III. Wie viele Männer das Lager insgesamt bis Ende Oktober 1944 durchliefen, ist deshalb nicht bekannt. Durchschnittlich dürften sich aber immer rund 300 Häftlinge vor Ort befunden haben.

„Von den drei Lagern entwickelte sich Osterhagen allerdings schnell zu dem, das am meisten gefürchtet war; Sturköpfen in Nüxei oder Mackenrode wurde damit gedroht; man nannte es das ‚Todeslager‘“
Marcel Orset
Zum Erinnerungsbericht

Zwangsarbeit

Die Häftlinge wurden zur Zwangsarbeit entlang der geplanten Trasse der Helmetalbahn eingesetzt. Es waren vor allem körperlich schwere Erd- und Bauarbeiten. Vor und nach der Arbeit mussten sie mehrere Kilometer zu Fuß zurücklegen. Sonntags arbeiteten sie nicht auf den Baustellen der Helmetalbahn, sondern hatten andere Arbeiten zu verrichten – in den ersten Wochen vor allem Bauarbeiten im Lager, später auf Bauernhöfen in der Umgebung. Berichten zufolge waren die Arbeits- und Lebensbedingungen im Außenlager Osterhagen die schlimmsten unter den Außenlagern der SS-Baubrigade III. Die Häftlinge bezeichneten es oft als Straflager und berichteten von extremer Gewalt während und nach der Arbeit durch SS und Kapos.

Krankheit und Tod

Im Lager gab es eine kleine Krankenstation für ambulante Behandlungen. Der 24-jährige Pole Mieczysław Dworczyk war dort als Häftlingspfleger eingesetzt. Ob ihm weitere Häftlingsärzte oder Pfleger zur Seite standen, ist nicht bekannt. Im August 1944 besuchten täglich etwa 20 Häftlinge die Krankenstube. Die meisten Erkrankungen waren auf Entzündungen, Unfälle oder den allgemein schlechten Gesundheitszustand der Häftlinge zurückzuführen. Für die Versorgung der Kranken standen jedoch kaum Mittel zur Verfügung. Schwerer Erkrankte wurden deshalb in das Hauptlager der SS-Baubrigade III nach Wieda und von dort in den Krankenbau des Außenlagers Dora gebracht. In den Quellen sind für den Zeitraum bis Ende Oktober 1944 keine Todesfälle dokumentiert.

Bewachung

Der Führer der SS-Baubrigade III kommandierte gleichzeitig die Lagerstandorte der Baubrigade. Für den Zeitraum der Stationierung in Osterhagen war dies SS-Obersturmführer Fritz Behrens, über den keine weiteren Informationen vorliegen. Als Lagerführer im Nebenlager Osterhagen setzte er SS-Hauptscharführer Franz Choina (geb. 1903) ein. Überlebende beschrieben ihn später als äußerst brutal. Die SS-Wachmannschaft der gesamten SS-Baubrigade III bestand aus etwa 200 Mann. Wie viele von ihnen in Osterhagen eingesetzt waren, ist nicht dokumentiert. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen mehrere Angehörige der Wachmannschaften der SS-Baubrigade III führten in den 1970er-Jahren zu keiner Verurteilung.

Übernahme durch das KZ Mittelbau

Das Außenlager Osterhagen und die übrigen Lager der Baubrigade III wurden Ende Oktober 1944 dem nun selbstständigen Konzentrationslager Mittelbau unterstellt. Somit waren sie keine Buchenwalder Außenlager mehr. Im Januar 1945 ging die Verwaltung der Außenlager in die Zuständigkeit des Konzentrationslagers Sachsenhausen über. Das Lager in Osterhagen existierte weiter bis zu seiner Räumung Anfang April 1945.

Spuren und Gedenken

Vom ehemaligen Außenlager Osterhagen sind heute keine baulichen Spuren mehr vorhanden. Im April 1999 wurden ein Gedenkstein und eine Informationstafel auf dem Gelände des ehemaligen Außenlagers Osterhagen errichtet.

Link zum heutigen Standort und zum Standort des Gedenksteins auf GoogleMaps

Gedenkstein und Informationstafel in Osterhagen, 2025. Foto: Ingrid Günther
Gedenkstein und Informationstafel in Osterhagen, 2025. Foto: Ingrid Günther ©Stadtarchiv Bad Lauterberg

Literatur:

Jens-Christian Wagner, Osterhagen (SS-Baubrigade III), in: Wolfgang Benz u. Barbara Distel (Hg.), Der Ort des Terrors. Die Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 7, München 2006, S. 323 f.

Firouz Vladi (Hg.), Der Bau der Helmetalbahn. Ein Bericht von der Eisenbahngeschichte, den KZ-Außenlagern der SS-Baubrigaden, Zwangsarbeit im Südharz in den Jahren 1944-45 und den Evakuierungsmärschen im April 1945, Duderstadt 2000, S. 80-92.


„Von den drei Lagern entwickelte sich Osterhagen allerdings schnell zu dem, das am meisten gefürchtet war; Sturköpfen in Nüxei oder Mackenrode wurde damit gedroht; man nannte es das ‚Todeslager‘“

Marcel Orset

Marcel Orset kam am 16. Mai 1902 im französischen Feillens zur Welt. Der Familienvater und Ingenieur schloss sich 1942 in Chalon-sur-Saône einer Widerstandsgruppe gegen die deutschen Besatzer an. Ein Jahr später wurde er denunziert. Die Gestapo verhaftete ihn und ließ ihn im Januar 1944 nach Buchenwald deportieren. Kurz darauf brachte die SS ihn zunächst in das Außenlager Dora und von dort in die Lager der SS-Baubrigade III entlang der Strecke der Helmetalbahn. Nach der Befreiung kehrte Marcel Orset nach Frankreich zurück. Drei Jahre später veröffentlichte er seine Erinnerungen an seine Verfolgung. Über sein Leben danach ist nichts bekannt.



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